CD, LP oder digital | Vö. 25.07.2024 | Meyer Records/Bear Family Records
Legende, Phänomen, Kultfigur ... die Nennung von solcherlei Superlativen ließe sich kontinuierlich fortsetzen. Dabei ist Roland Van Campenhout an diesen Be- und Umschreibungen eher nicht interessiert. Er ist nur einfach ein wunderbarer Musiker, ein beeindruckender Gitarrist und eindrücklicher Sänger mit dem Blues als zentralem Stilmittel. Den er in seiner eher reinen, traditionellen Ausprägung oftmals präsentierte, aber ebenso, und in den letzten Jahren offensichtlich mit großer Vorliebe, auch in wesentlich modernerer Form.
So wie etwa auf seinem neuesten Live-Album "roland & the deep blue sea", das so frisch und jung klingt, dass man das am 25. Juli erreichte Alter des Belgiers kaum glauben mag. An diesem Tag wird Roland Van Campenhout 80 Jahre. - Ok, auch andere in den 1960er Jahren gestartete Protagonisten haben diese Altersstufe erreicht. Blues-Kollege John Mayall ist sogar bereits 90. Aber sind sie allesamt noch zu solch einem musikalischem Jungbrunnen fähig?
Das im GC 't Blikveld im südbelgischen Bonheiden in voller Bandstärke - neben RVC noch mit Keyboarder, zweitem Gitarristen sowie Bass und Schlagzeug - aufgenommene Album offeriert insgesamt sechs Stücke, davon fünf längere, allesamt zwischen rund neun und elf Minuten lang, bei denen man nach erstmaligem Hören sofort auf Repeat drücken muss. Beispielsweise erweist sich der Opener "Out In The Rolling Sea" als mitreißender, von strikten Riffs und wallenden Wah-Wah-Sounds geprägter Psycho-Blues-Track, in dem sich Gitarren und E-Piano in der zweiten Hälfte, angestachelt von den beiden Rhythmus-Leuten, ein dermaßen faszinierendes Duell liefern, das Roland gegen Ende ein klar hörbares "Wow" entlockt.
Auch "Turn Around And Take Me Home", der nachfolgende Song, sanft mit schwebenden Gitarrenklängen und klagender Stimme beginnend, geizt später nicht mit Saiten-Exzessen.
Das Traditional "Fish In The Deep Blue Sea" avanciert hier zum zünftigen Slow Funk. Und "Midnight Star", die finale Nummer des reguären Sets, bläst zur famosen Rock-Attacke. Die mit reichlich Gitarren-Echoes aufwartende Zugabe "Wake Up All The Death" sowie "Under The Sea And Above" als finales, dreieinhalb-minütiges Groove-Kleinod komplettieren die Titelliste dieses faszinierenden Live-Albums.
Roland Van Campenhout kam erst als Zwanzigjähriger zur Musik. Mitte der Sechziger begann er mit Skiffle und Folk, um dann ein paar Jahre später den Blues zu entdecken. Als zeitweiliges Mitglied der Rory Gallagher Band bereiste er die Welt und sog fortan und überall jegliche Art von musikalischen Einflüssen in sich auf. Er spielte mit diversen Koryphäen zusammen (u.a. Tim Hardin, Leo Kottke, T.C. Matics' Arno Hintjens) und veröffentlichte bis heute an die 30 stilistisch reichhaltige Alben.
Und ja, er ist und bleibt, genau wie sein deutsches Pendant Richard Bargel, der für das Album die Liner Notes verfasste, ein "Nischenmusiker", samt, so Bargel, "Preisen und Auszeichnungen, die von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurden." Aber sie fühlen sich wohl in dieser Nische, denn (Zitat Bargel): "Wir sind beide konsequent unseren Weg gegangen, abseits des Mainstreams, der uns nie interessiert hat. Was uns interessiert hat, war unsere musikalische Freiheit, unsere Authentizität und die individuelle Umsetzung unseres reichhaltigen Songrepertoires. Eigenes schaffen, nicht nur kopieren, gegen Schubladendenken anspielen und engstirnige Kritiker einfach ignorieren, das war und ist uns bis heute wichtig." Roland Van Campenhouts Album "roland & the deep blue sea" ist grandioser Beleg für dieses Statement!
Titelliste:
1. Out On The Rolling Sea [Van Campenhout]
2. Turn Around & Take Me Home [Van Campenhout]
3. Fish In The Deep Blue Sea [trad. arr. Van Campenhout]
4. Midnight Star [Van Campenhout]
5. Wake Up All The Death [Van Campenhout]
6. Under The Sea & Above [Van Campenhout / Serge Feys]