"Silent Angel: The Fire And Ashes Of Heinrich Böll"
Vö. 08.12.2017 | CD und LP | Meyer Records/Rough Trade
Es sind mehr als interessante Autoren, deren Werk und Gedankenwelt sich Eric Andersen, neben Bob Dylan oder Phil Ochs einer der Großmeister des klassischen Folk-Rocks, musikalisch immer wieder annimmt. 2014 beschäftigte er sich eingehend mit dem Schaffen des französisch-algerischen Literatur-Nobelpreisträgers Albert Camus. Zwei Jahre später nahm er sich Texten des exzentrisch-exzessiven britischen Dichters Lord Byron an. Und jetzt hat er sich wieder einem mit dem Nobelpreis Geehrten innig gewidmet: Dem Kölner Heinrich Böll. Gemeinsam ist den drei Herren, neben ihrer Genialität, dass sie verstorben sind.
Alle drei Alben - das jüngste trägt den Titel "SILENT ANGEL: Fire And Ashes of Heinrich Böll" - sind mit Eric Andersen Hauptanliegen verbunden: "Das ist, einer möglichst jungen Generation zum Teil beinahe vergessene Literaten und deren Arbeiten zugänglich zu machen. Heinrich Böll habe ich mir vorgenommen, weil für diesen individuellen Querdenker "freiheitliche Demokratie" alles war. Mal ehrlich: Was kann man jungen Menschen für andere Leitbilder als solche Leuchttürme der Literatur ans Herz legen? Na eben."
Zum "SILENT ANGEL"-Projekt kam es, als Eric Andersen, geboren 1943 in Pittsburgh, an einem Februar-Tag mit René, einem der Söhne des literarischen Großmeisters, in Köln einen Spaziergang machte. Es war dieser René Böll, der Andersen auf die Idee brachte, seinem Vater ein akustisches Denkmal zu setzen. Und es gibt einen aktuellen Anlass für ein solches Projekt: Am 21.12.2017 jährt sich der 100. Geburtstag des am 16.7.1985 verstorbenen Idols.
"An Böll hat mich fasziniert", erklärt Andersen seine Begeisterung, "dass er als überzeugter Katholik zähneknirschend als Soldat in den Krieg zog und bis 1945 seinen Dienst leistete, einige Monate in amerikanischer Gefangenschaft war - um daraus als überzeugter Pazifist und Mann mit eindeutigen links-liberalen Überzeugungen herauszugehen."
Die intensive Lektüre von Bölls Oeuvre ermöglichte es Andersen, dem Amerikaner, einen anderen Blick auf die von seinen Landsleuten besiegte Nation zu bekommen. Speziell die Bücher, die während des II. Weltkriegs oder unmittelbar danach spielen "eröffneten mir eine neue Perspektive, durchbrachen das alte Schwarz/Weiß-Denken", erklärt Andersen. "Weil die Charaktere einfach erst mal Menschen waren, ohne dass dabei die NS-Ideologie aufgeweicht worden wäre. Und auch in anderen Böll-Romanen, die nicht mit Krieg zu tun haben, fasziniert die Transparenz der Charaktere, das zutiefst Humane."
Um es auf den Punkt zu bringen: "SILENT ANGEL: Fire And Ashes of Heinrich Böll" ist ein vielschichtiger Reigen, ein vom Folk inspiriertes literarisches Füllhorn geworden, das Eric Andersen über dem geneigten Hörer ausschüttet. Im Zentrum stehen Krieg und Nachkriegszeit. Gelebte Humanität. Die Stadt Köln. Und über über allem thront, vermutlich ein wenig überrascht, der Genius Heinrich Böll.