Unter den großen afroamerikanischen Sängerinnen des 20. Jahrhunderts wie Bessie Smith, Billie Holiday, Mahalia Jackson, Ella Fitzgerald, Dinah Washington und Aretha Franklin nahm Nina Simone (1933-2003) durch ihr politisches Engagement immer eine Sonderstellung ein. Sie war eine unermüdliche Botschafterin der US-Bürgerrechtsbewegung und des Black-Power-Movements, für die sie sich von den späten 1950ern bis zu den 1970er Jahren engagierte.
Genau so beeindruckend wie ihr Einsatz als politische Aktivistin ist das extrem breit gefächerte Repertoire der Sängerin. Ihre künstlerische Palette reichte vom Blues der 1920er Jahre über Songs von Duke Ellington, Miles Davis, Irving Berlin oder den Gershwin-Brüdern. Auf ihren Alben sind Balladen von Langston Hughes, Folksongs von Bob Dylan oder Kompositionen von Leonard Cohen zu hören, die Nina Simone wie selbstverständlich neben Titeln von Randy Newman, Richie Havens, Sandy Denny oder Jimmy Webb platzierte. Natürlich widmete sie sich auch den damals neuen Strömungen des Afro-Pop oder der Weltmusik und konnte wenige Momente später einen Track der Beatles, Byrds, Bee Gees oder aus dem "Hair"-Musical anstimmen. Nina Simone war in allen Genres zuhause.
Nina Simone wäre am 21.Februar 2013 80 Jahre alt geworden.
Das neu aufgelegte Boxset "TO BE FREE: THE NINA SIMONE STORY" bietet nun einen ausgezeichneten Überblick über die musikalische Vielfalt ihrer Songs. Das Set dokumentiert auf drei CDs und einer DVD die umfassendste Sammlung der Künstlerin, die je zusammengestellt wurde. Die 51 Audiotracks bieten einen Überblick zu Nina Simones Interpretationen zwischen 1957 bis 1993. In dieser Zeit war sie bei den Labels Bethlehem, Colpix, Philips, RCA (bei RCA spielte sie neun LPs ein, die als Höhepunkte ihrer Karriere gelten), CTI und Elektra unter Vertrag. Weitere neun Live-Songs finden sich auf der 23-minütigen Dokumentation, die dem Boxset als DVD beiliegt.
"TO BE FREE: THE NINA SIMONE STORY" ist ab dem 8. Februar 2013 über RCA/Legacy, einer Abteilung von SONY MUSIC ENTERTAINMENT, erhältlich.
In seinen Liner Notes kommentiert Richard Seidel die Zusammenstellung der Songs: "Diese Compilation deckt ein unglaubliches Spektrum ab: Jazz, Blues, R&B, Gospels/Spirituals, Folksongs, Rocksongs, Standards aus dem Great American Songbook, Chansons, afrikanische Musik, Reggae und Protestsongs." Seidel produzierte ein knappes Dutzend von Nina-Simone-Projekten.
Mit "TO BE FREE: THE NINA SIMONE STORY" erscheint nun endlich die ultimative Tribute-Box. Sie wurde sorgfältig kompiliert, mit hochinteressantem Begleitmaterial versehen und lässt die Karriere der 2003 verstorbenen Sängerin wieder aufleben. Im beiliegenden Booklet finden sich nie gezeigte Fotos aus den Archiven ihrer Familie, dem Fundus der Biografin Sylvia Hampton sowie von verschiedenen Aufnahmesessions und Live-Auftritten. Die einleitenden Essays des Booklets stammen von Ed Ward (Rock&Roll-Historiker des Radiosenders "National Public Radio" und Korrespondent des Interview-Magazins "Fresh Air").
Außerdem steuerte David Nathan, der "British Ambassador of Soul", detaillierte Begleittexte zu den einzelnen Songs bei. Nathan ist der Autor der Nina Simone-Biografie "Break Down & Let It All Out" (Co-Autoren: Nathans Schwester Sylvia Hampton und Ninas Tochter Lisa Kelly Simone).
TO BE FREE versammelt unter anderem alle Songs von Nina Simone, die unter ihrem Namen in die US- und UK-Charts einstiegen:
"I Loves You, Porgy" (eingespielt für Bethlehem, 1957): Aus Porgy & Bess; Ninas erste Single und zugleich ihr erster Chart-Hit, inspiriert von Billie Holidays Version
"My Baby Just Cares For Me" (Bethlehem, 1957): Ninas Version wurde 1985 für einen Chanel-TV-Spot verwendet, erreichte Platz 5 der UK-Charts und inspirierte George Michael zu dessen 1999er-Version des Songs
"Nobody Knows You When You're Down And Out" (Colpix, 1959): Ein Bessie Smith-Klassiker von 1929, 30 Jahre später von Nina Simone als rare Non-LP-Single veröffentlicht
"Trouble In Mind" (Colpix, Juni 1960): Live eingespielt auf dem Newport Jazz Festival; ebenfalls ein Klassiker aus den 1920ern, bekannt in der Version von Chippie Hill und Louis Armstrong
"I Put A Spell On You" (Philips, 1965): Der Hit von Screamin' Jay Hawkins war Ninas erste Single in den UK Charts. Er machte den Weg frei für ihre Tourneen durch England und das übrige Europa, wo sie schließlich kommerziell noch erfolgreicher wurde als in den USA
"Feeling Good" (Philips, 1965): Aus dem Newley-Leslie Bricusse Musical The Roar Of The Greasepaint, The Smell Of The Crowd; 1984 in einem Volkswagen-Werbespot zu hören, der dem Titel in die UK-Charts verhalf. 2002 erschien die sechsminütige Verve Remixed-Version und 2004 schaffte es der Track auf die serienbegleitende Sex & The City-Doppel-CD
"Ain't Got No-I Got Life" (1968, aus Hair): Bisher unveröffentlicht, mit improvisiertem und verändertem Text. Alternative Version der Aufnahme, die es auf Platz 2 der UK-Charts schaffte
"Do What You Gotta Do" (RCA, 1968): Erschien in UK als B-Seite der Single "Ain't Got No ...", wo der Song bis auf Chartplatz 7 kletterte
"To Love Somebody" (RCA, 1968): Nina nahm häufiger Songs der Bee Gees auf. Dieser konnte in den USA nicht charten, schaffte es aber in die englischen Top 5
"Revolution" (PM, April 1969): Live in Deutschland eingespielt. Kompletter Mitschnitt des Songs, dessen "Part 1"-Studioversion (RCA) im selben Monat die R&B-Charts in den USA enterte. Ninas erste Eigenkomposition, die es in die Hitparaden schaffte
und last but not least: "To Be Young, Gifted And Black" (RCA, 1969)
Der letztgenannte Song "To Be Young, Gifted And Black" belegt in Nina Simones Oevre einen besonderen Platz. Die Dramatikerin und Aktivistin Lorraine Hansberry (bekanntestes Werk: "A Raisin In The Sun"/dt. "Ein Fleck in der Sonne") hatte diesen Satz in einer Rede aus dem Jahr 1964, ein Jahr vor ihrem Tod mit nur 35 Jahren, erwähnt. Bald entwickelte sich ihr "To Be Young, Gifted And Black" zum Slogan der afroamerikanischen Bürgerrechtler. Ein gleichnamiges Drama, das auf Hansberrys unvollendeten Büchern basierte, wurde zum erfolgreichsten Broadway-Stück der Saison 1968/69 und Nina Simone komponierte im selben Jahr zu Ehren der Autorin mit Weldon Irvine den Song, der auf "TO BE FREE: THE NINA SIMONE STORY" zu hören ist.
"To Be Young, Gifted And Black" schaffte es in die Top 10 der Billboard R&B-Charts und wurde für viele Jahrzehnte die Hymne derer, die für die Gleichberechtigung der Schwarzen eintraten. Es sollte der letzte Titel sein, den Nina in den Vereinigten Staaten einspielte. 1970 verließ die Sängerin ihre Heimat für immer.
"Nina Simone war eine der kontroversen Persönlichkeiten, die die amerikanische Popmusik von Zeit zu Zeit hervorbringt", schreibt Ed Ward in seinen Liner Notes. "Die Menschen waren schockiert über diese Afroamerikanerin, die auf der Bühne ihrer Wut über die Rassendiskriminierung Luft machte. Eigentlich waren sie doch zum Konzert gekommen, um `I Loves You, Porgy´ zu hören! Doch Nina war das egal. Sie betrachtete es als ihre Aufgabe als Künstlerin, die Wahrheit unter die Leute zu bringen. Und wenn die Wahrheit wehtat, dann war das nicht zu ändern. Auch wegen dieser Haltung hat ihre Musik überdauert. Während viele ihrer Zeitgenossen in Vergessenheit geraten sind, sind ihre Songs immer noch up-to-date."
TO BE FREE: THE NINA SIMONE STORY
CD 1
TitelAus
dem Album (andere Quelle)LabelRec.__
1.Mood IndigoJazz As Played In An ExclusiveSide Bethlehem1957
Street Club [aka Little Girl Blue]
2.BI Loves You, Porgy Jazz As Played In An ExclusiveSide
Bethlehem1957
Street Club [aka Little Girl Blue]
3.KMy Baby Just Cares For MeJazz
As Played In An ExclusiveSide Bethlehem1957
Street Club [aka Little Girl Blue]
4.BNobody Knows You When singleColpix1959
You're Down And Out
5.You Can Have Him (live) Nina
At Town HallColpix9/12/59
6.Wild Is The Wind (live) Nina At Town Hall [studio withColpix10/59
overdubbed
applause]
7.BTrouble In Mind (live)
Nina Simone At NewportColpix6/30/60
8.When Malindy Sings/Swing [at Newport
Jazz Festival]--7/4/63